Wenn keine genaueren Daten zu den mit einer bestimmten Maßnahme verbundenen Klimabelastungen vorliegen, bietet die volkswirtschaftliche Wertschöpfung zumindest einen groben Anhaltspunkt. Der größte Teil des Brutto-Inlandsprodukts geht in die Konsumausgaben der Privatpersonen und des Staates und verursacht damit Klimabelastungen. Dabei ist die Wirkung eines zusätzlichen Euros, der in den Wirtschaftskreislauf gerät, praktisch nicht verfolgbar, es können deshalb nur Mittelwerte (etwa für die Klimawirkung) herangezogen werden. Bezogen auf das deutsche Brutto-Inlandsprodukt (2018) von 3390 Mrd Euro betragen die THG-Emissionen ca. 0,26 kg pro Euro. Als grobe (und im Mittel viel zu optimistische) Abschätzung verwenden wir die
Faustregel für Klimabelastung: 0,1 kg CO2-Äq pro Euro Wertschöpfung.
Diese Faustregel ist ein Notbehelf; sie wird umso unzuverlässiger sein, je weniger der Preis einer Ware oder Dienstleistung die „Klima-Wahrheit“ widerspiegelt, und je mehr der Preis durch Subventionen verfälscht wird (wie in der Landwirtschaft).
Beispiel 1: Eine Windenergie-Anlage von 2 MW kostet etwa 2 Mio Euro. Nach obiger Faustregel verursacht dieser Betrag eine Klimabelastung von 200.000 kg CO2-Äq, oder verteilt auf die erwartete Lebensdauer (20 Jahre): 10.000 kg CO2-Äq pro Jahr. Diese Windenergie-Anlage produziert je nach Standort 3 bis 8 Mio kWh Elektrizität, bezogen auf die erzeugte Kilowattstunde beträgt die Emission nach dieser sehr groben Abschätzung 12 bis 33 g pro kWh, für einen mittleren Windstandort also ca. 22 g pro kWh. Dieser Schätzwert ist zu vergleichen mit dem durch detaillierte und aufwendige Untersuchungen der gesamten Vorkette erhaltenen Wert von 11 g pro kWh, den das Umweltbundesamt angibt. Unser grober Schätzwert, in den nur die Investitionskosten, die Lebensdauer und die jährliche Stromproduktion eingehen (und das sind auch nur grobe Schätzwerte), liegt in derselben Größenordnung wie der in jahrelangen aufwendigen Untersuchungen (life cycle assessment) ermittelte Wert des UBA. Eine bessere Übereinstimmung ist nicht zu erwarten, sie wäre reiner Zufall. Ganz falsch wäre es aber, mangels genauerer Kenntnisse die klimaschädlichen Emissionen einfach wegzulassen, also gleich Null zu setzen. Der Faktor der Abweichung betrüge dann nicht zwei, sondern unendlich. Natürlich werden wir für Berechnungen der Klimawirkung von Windenergie-Anlagen nicht unseren Schätzwert verwenden, sondern den (vermutlich genaueren) Wert des Umweltbundesamtes.
Beispiel 2: Setzt man für eine Mitarbeiterstelle Gesamtkosten von 70.000 Euro pro Jahr* an, so verursacht eine zusätzliche Stelle (die also nicht durch Umbesetzung entsteht) nach unserer Fausregel zusätzliche Emissionen von 7.000 kg CO2-Äq pro Jahr. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit von Vollzeitkräften in Deutschland beträgt 1647 Stunden. Das führt auf Arbeitskosten von 42,50 Euro pro Arbeitsstunde und eine zusätzliche Klimabelastung von 4,3 kg CO2-Äq für jede zusätzliche Arbeitsstunde.
Es sei noch einmal betont, dass unsere grobe Faustregel die Klimabelastung i. allg. deutlich unterschätzt. So rechnet das Umweltbundesamt im online-CO2-Rechner mit einem etwa achtmal höheren Durchschnittswert für den Sektor sonstige Konsumausgaben, der für fast die Hälfte der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist.
*infolge des Klimanotstands richtet die Stadt Aachen drei neue Stellen für KlimaschutzmanagerInnen ein und kalkuliert hierfür Kosten von 87.400 € pro Stelle und Jahr, zuzüglich Sach-, IT- und Gemeinkosten. Durch diese Maßnahme werden zusätzliche THG-Emissionen von mindestens 30.000 kg CO2-Äq pro Jahr erzeugt.